Unnötige Schulatteste behindern kinder- und jugendärztliche Versorgung in Grippewelle
Die aktuelle Grippewelle in Bayern sorgt für einen hohen Krankenstand insbesondere bei Schulkindern und Jugendlichen. In einigen Regionen musste wegen der vielen krankheitsbedingt fehlenden Schüleri*innen und Lehrer*innen auf Distanzunterricht umgestellt werden.
Die meisten Patient*innen mit Influenza können zu Hause mit Hausmitteln und Ruhe selbst behandelt werden. Der Krankheitsverlauf zieht sich jedoch meist 5 bis 10 Tage hin. Dennoch gibt es eine ganze Reihe kritischer Fälle, für die die hausärztlichen Praxen da sein müssen.
Aktuell arbeiten die kinder- und jugendärztlichen Praxen in der Hochphase der Grippewelle im Akkord. Zudem versuchen sie selbst, krankheitsbedingte Personalausfälle in ihren Praxen bestmöglich zu kompensieren. Jede zusätzliche Belastung schlägt da auf die Versorgung der kranken Kinder- und Jugendlichen unmittelbar durch und verschlechtert diese.
So erleben die kinder- und jugendärztlichen Praxen in Bayern gerade eine Flut an Attest-Wünschen seitens der Schulen. Und dies obwohl in der Vergangenheit mehrere ministerielle Schreiben des Kultusministeriums an alle Schulleiter in Bayern gerichtet wurden, in denen geworben wurde, Atteste für krankheitsbedingtes Fernbleiben von Schüleri*innen nur in begründeten Ausnahmefällen – was auch im Sinne der bayrischen Schulordnung ist – anzufordern.
„Die absurdeste Aussage einer Grundschullehrkraft gegenüber einer Patientenmutter von uns sei gewesen, dass sie aufgrund der jetzt so vielen Krankheitsfälle in der Klasse von allen fehlenden Schülern ein ärztliches Attest mit Nachweis über eine Influenza-Infektion zu verlangen habe“ berichtet Philipp Schoof, Kinder- und Jugendarzt einer großen Gemeinschaftspraxis in München.
„Offenbar machen sich manche Pädagog*innen kein Bild von den Folgen ihrer bürokratischen Anforderung: Um ein Attest auszustellen, müssen die Kinder zwingend den Ärzt*innen vorgestellt und untersucht werden. Das bedeutet zusätzlich in den Praxen vorstellige Kinder, die richtigerweise von ihren Eltern zu Hause gesund gepflegt hätten werden können. Dies birgt in jeder Hinsicht unnötige neue Infektionsmöglichkeiten.“
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Bayern sowie die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, KVB, weisen außerdem darauf hin, dass eine ärztliche Attestierung auf Veranlassung dritter niemals eine Kassenleistung ist. Selbst im besten Fall würden die Eltern für ein Schulattest etwa 40 € als Individuelle Gesundheits-Leistung, IGeL, nach Gebühren-Ordnung Ärzte, GOÄ, zahlen müssen.
Darauf wies die KV Bayerns per Pressemitteilung bereits im August 2023 hin. Dass dies viele Praxen nicht tun, sei nicht korrekt, aber verständlich, um den Verwaltungsaufwand und die Diskussionen mit unverständigen Eltern zeitlich niedrig zu halten.
„Wir appellieren an die Schulleitungen, die Regelungen der bayrischen Schulordnungen so anzuwenden, wie sie gedacht sind. Atteste sollten in begründeten Einzelfällen angefordert werden, aber nicht in unstrittigen Infektionswellen. Hier sollte auch ohne medizinische Ausbildung die Ursache des Fehlens in der Schule offensichtlich sein. Unsere Praxisteams sind in der aktuellen Situation in der Krankenversorgung auf Anschlag“, so Dr. Dominik Ewald, Landesvorsitzender des BVKJ Bayern.
„Aussagen wie „Atteste ab dem dritten Fehltag“ oder „bei Leistungsnachweis“ entbehren einer tatsächlichen Regelung und führen zu unnötigen Kosten für die Familien. Die Mehrheit aller Eltern in Bayern hat kein Interesse, dass ihre Kinder vom Schulunterricht fernbleiben, Hausaufgaben von anderen angefordert, Übungen für Proben wiederholt und Arbeitgeber*innen auf ihre Mitarbeiter*innen verzichten müssen.“ betont Ewald Verständnis für alle suchend.
V.i.S.d.P. BVKJ LV Bayern, Landesvorsitzender Dr. Dominik Ewald, Regensburg, 19.02.2025